Wenn Engagement erwachsen wird

Vor vier Jahren begleitete Pamo Roth den Rapper Hassan Akkouch aus der Neuköllner Rütli-Schule. Er brachte damals anderen Jugendlichen Breakdance bei. Heute ist er ein Filmstar: über den Versuch, Hassan ein zweites Mal zu treffen

Bei dem letzten Treffen vor vier Jahren trat Hassan Akkouch unter dem Namen „Hass“ in der HipHop-Community auf – den Namen begründete er vor allem mit den schlechten Erfahrungen wegen des unsicheren Aufenthaltsstatus, den er und seine Familie als Flüchtlinge aus dem Libanon hatten. Einmal wurden sie bereits abgeschoben vor knapp zehn Jahren, kamen aber zurück nach Berlin. An ihrem geduldeten Status hat sich innerhalb der letzten vier Jahre nicht viel geändert: Seine Mutter lebt seit 22 Jahren mit einer Kettenduldung – und der Gefahr jeden Moment wieder abgeschoben werden zu können. Nur die Jugendlichen, die volljährig werden und eine Ausbildung vorweisen können, bekommen einen Aufenthaltsstatus.

Doch im Leben der Familie und besonders in dem von Hassan hat sich viel verändert. Als politischer und sozialkritischer Rapper hat er den Rapcontest von dem Projekt „Schule ohne Rassismus“ gewonnen, CDs in 1.000er Auflage in ganz Deutschland herausgebracht, er war deutscher Breakdance-Meister und hat den Mete-Eksi-Preis gewonnen – ein Preis für Kinder oder Jugendliche, die sich für einen friedlichen interkulturellen Umgang einsetzen. 2007 erhielten Hassan und seine Geschwister diesen Preis als „Flüchtlinge aus dem Libanon“, wie es in der Begründung zur Preisverleihung heißt: „Trotz drohender Abschiebung Hervorstechen durch besonders gute Leistungen in Schule und künstlerisch-sozialem Bereich.“

Das Leben als Film

Doch die größte Veränderung in seinem Leben ist wohl durch den Film „Neukölln Unlimited“ hervorgerufen worden. Seitdem sind Hassan, sein Gesicht, ja sogar seine ganze Familie bekannt. Auf der Berlinale 2010 präsentiert, gewann der Film den gläsernen Bären für den besten Film in der Sektion Generation 14Plus. Außerdem wurde er nominiert für den 25. Friedenspreis der Berlinale, der die ästhetischen Mittel des Films in besonderer Weise in den Dienst des sozialen Miteinanders und des sozialen Engagements stellt.

Und noch etwas hat sich geändert, Hassan ist schwer, beziehungsweise gar nicht mehr für ein Interview zu bekommen. Er antwortet per E-Mail, dass er viel um die Ohren hat und zur Zeit keine Interviews mehr geben möchte. Gerade noch war er mit seiner Breakdance-Gruppe FanatiX auf Tour in Mazedonien und ist danach in Australien. Die Pressesprecherin, die sich um die mediale Vermarktung des Films kümmert, bittet um Verständnis dafür, dass Hassan und seine beiden Geschwister „ein wenig pressemüde“ sind: Das Pensum der letzten Monate sei einfach hoch gewesen durch unzählige Interviews zu der Präsentation des Films auf der Berlinale und dem anschließenden Kinostart.

Ein neuer Traum

Hassan hat jetzt genügend Aufmerksamkeit. Er muss sich nicht mehr medienwirksam für Zeitungen oder das Fernsehen gerieren, um auf die prekäre Situation und den unsicheren Aufenthaltsstatus seiner Familie aufmerksam zu machen. Er ist nicht mehr auf das Interesse der Medien angewiesen, er hat mehr, als ihm lieb ist. So kann sich Hassan endlich einmal um sich selbst kümmern und versuchen, seine individuellen Ziele zu erreichen. Er hat jetzt ähnliche Möglichkeiten wie andere Heranwachsende in seinem Alter auch – aber nicht weil er aus gutem Hause kommt oder in Berlin Charlottenburg aufgewachsen ist, sondern, weil er sie sich erkämpfte.

Durch den Film hat Hassan, der 2006 noch Sozialwissenschaften studieren wollte, einen neuen Traumberuf. Sein größtes Ziel ist es, Schauspieler zu werden, wie Dietmar Bartsch, einer der beiden Regisseure von „Neukölln Unlimited“, beobachtet hat: „Er hat ja auch keine Scheu sich darzustellen. Das hat ihn schon ganz schön angefixt, auch der ganze Glamour auf der Berlinale. Das hat ihn gereizt.“ Vielleicht auch, weil er nicht mehr nur als Abschiebungsopfer, sondern endlich auch mal als ein Handelnder wahrgenommen wird, als ein Filmstar.

Eine neue Herausforderung

So bewirbt sich Hassan nun bei verschiedenen Schauspielschulen in Berlin. Zwei oder drei Absagen hat er laut Ratsch zwar schon bekommen, aber dieser beteuert: „Ich mache mir überhaupt kein Sorgen um ihn. Er wird seinen Weg gehen. Wenn er sich etwas vornimmt, wird er das auch durchziehen und sich nicht entmutigen lassen, sondern sich durchschlagen.“ Ratsch selbst hat mit ihm eine Rolle für einen eventuell künftigen Film entwickelt, die Hassan in Zukunft beschreibt. Er findet es sinnvoll, dass Hassan eine Schauspielausbildung machen will: „Erst mal muss er auch das Handwerk können, Drehbuch auswendig lernen, Charakterbildung und so weiter.“

Das ist die neue Herausforderung in Hassans Leben. Er ist nicht mehr nur Pressesprecher und politische Stimme für seine Familie, er spielt nicht mehr nur sich selbst und erzählt von seinem Leben und der Abschiebungsgefahr seiner Familie – sondern er lernt auch in andere Rollen zu schlüpfen. Er ist jetzt ein Vorbild für andere Jugendliche in ähnlich prekärer Situation – dafür, dass man es schaffen kann, wenn man nur lange genug darum kämpft.

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