Mein Opa, der Nazi-Fotograf

Der Großvater meiner Kindheit und Jugend war ein lustiger Abenteurer, der durch die Welt reiste, fotografierte und Bilder für Kinderbücher zeichnete. Mein jetziger Großvater ist ein Nationalsozialist.

Zwei Jungen mit Fahrrädern, umgeben von Trümmern. Im Laufe des Krieges wurde die Stadt Köln insgesamt 262-mal bombardiert – mehr als jede andere deutsche Stadt – 31-mal davon schwer.

Zwei Jungen mit Fahrrädern, umgeben von Trümmern. Im Laufe des Krieges wurde die Stadt Köln insgesamt 262-mal bombardiert – mehr als jede andere deutsche Stadt – 31-mal davon schwer. Foto: Franz Roth

Der Großvater meiner Kindheit und Jugend war ein lustiger Abenteurer, der durch die Welt reiste, fotografierte und Bilder für Kinderbücher zeichnete. Von ihm gab es bei uns Zuhause ein Foto in einem Krankenbett, auf dem er lacht. Der Großvater meines jetzigen Lebens ist ein Nationalsozialist.

Vor wenigen Jahren wurde meine Schwester Dr. Tuya Roth, eine Historikerin, von ihrem Kollegen Prof. Rolf Sachsse gefragt, ob sie verwandt sei mit dem NS-Propaganda-Fotografen Franz Roth. Er hatte ihn in seinem Buch porträtiert „Die Erziehung zum Wegsehen. Fotografie im NS-Staat“ – und unser Blick auf unseren Großvater veränderte sich schlagartig. So stießen wir auch auf eine Kiste mit seinem Fotonachlass, aus dem seither nie gezeigte Bilder hier veröffentlicht werden.

Franz Roth war einer der renommiertesten NS-Fotografen und wahrscheinlich einer der engagiertesten: Als Mitglied der in Österreich verbotenen SA saß er für die Partei „wegen illegaler Betätigung für die NSDAP“ in Wien 1933 sogar zwei Monate im Gefängnis.

Als er 1942 zum Untersturmführer der Waffen-SS befördert wird, charakterisierte ihn ein amtliches Schreiben als einen der Frontmänner der Propagandamaschinerie: „Er hat durch seine Arbeiten, die nur durch schneidigsten persönlichen Einsatz zu erreichen waren, einen großen Anteil an der planmäßigen Werbung für die Waffen-SS in der gesamten illustrierten Presse. Seine persönliche Haltung weist ihn als tapferen Soldaten aus.“ Die Schutzstaffel (SS) war seit 1934 eine eigenständige, paramilitärische Organisation innerhalb der NSDAP, deren Unterorganisationen maßgeblich an nationalsozialistischen Massenverbrechen und dem Holocaust beteiligt waren.

Franz Roth wird am 5. April 1911 als Sohn des Arztes Dr. Franz Roth und dessen Frau Alma in Wien geboren. Im Jahr 1929 schreibt er sich an der juristischen Fakultät ein, tritt der Akademischen Burschenschaft Oberösterreichischer Germanen bei und meldet sich 1933 zum SA-Sturm. Er macht sich selbständig als Bildberichterstatter und arbeitet für die amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press. Für die fotografiert er im sogenannten Abessinienkrieg in Afrika, bei der Olympiade 1936 und in dem spanischen Bürgerkrieg „immer auf der Seite Francos“, wie er schreibt. 1938 zieht er nach Berlin und tritt in die NSDAP ein. Seit Sommer 1940 berichtet er als Propaganda-Fotograf für die „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ unter anderem aus dem Finnlandkrieg, dem Sudetenland sowie dem Balkan und fungiert als Ausbilder: „Fast sämtliche Bildberichter der Waffen-SS sind durch seine Schule gegangen. Durch packende Vorträge bildete er den Nachwuchs heran“, schreibt der Illustrierte Beobachter, eine Wochenzeitschrift der NSDAP, in einem Nachruf.

Als Teil der SS-Aufklärungsabteilung im Russlandfeldzug stirbt er am 17. März 1943 in Kiew an einer Schussverletzung. In dem Beileidsschreiben an die Witwe bedauert Joseph Goebbels, Leiter des Propagandaministeriums, den „Heldentod“ des Mannes, „den ich als einen der hervorragendsten Bildberichterstatter kennen und schätzen gelernt habe“.

Er fotografierte auch das zerbombte Köln im Frühling 1942 in Farbbildern, die bisher noch nie gezeigt wurden.

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Ein Gedanke zu „Mein Opa, der Nazi-Fotograf“

  1. Guten Tag Frau Roth:
    Bin zufällig über Ihren Blog gestolpert. Ja, auch mein Großvater mütterlicherseits war ein ziemlich bekannter Nazi-Fotograf namens Dr. Heinrich Weskamp. Er machte Foto-Reportagen u.a. über die Nazi-Architektur aber auch über Juden-Ghettos. Ein bekanntes Foto von ihm war das bekannte Plakat über KDF (Kraft durch Freude). Er arbeitete auch auch für Berliner und schweizerische Tageszeitungen und Wochenblätter.
    Leider bin ich ihm niemals begegnet, obwohl er in den letzten Lebensjahren nicht weit weg wohnte, und ich habe nur einziges Foto von ihm mit meiner Mutter Lore Kretzschmar (verstorben 2017) gefunden. Seine zweite Frau (Thea Weskamp) hat den Kontakt mit der Familie und ihrer Stieftochter Lore erfolgreich verhindert. Sie hat den Fotonachlass verwaltet und auch in Untersuchungen zu dieser Zeit an einem Frankfurter Institut eingebracht. Ihr Mann konnte nach dem Krieg seine Karriere fortsetzen. Ob er ein böser Nazi war kann ich nicht beurteilen, aber irgendwie waren fast alle damals ein Teil dieses verbrecherischen Systems. Man kann beim Googeln einiges über Heinrich Weskamp finden. Er war wohl mehr der künstlerischen Seite der Fotografie zugewandt und hat eher propagandistisch verherrlicht, vielleicht ähnlich Leni Riefenstahl.
    Liebe Grüße
    Dr. Gerhard Kretzschmar

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