Der Friedhof der weggeworfenen Babys

Der New Yorker Tim Jaccard ist Polizei-Sanitäter, er schon hat viel Leid gesehen. Und viele Leichen. Doch bei einer brach er weinend zusammen: Es war ein Baby, das in einen Toilettenabfluß gestopft worden war

Tim Jaccard (61) ist Polizei-Sanitäter, er hat viel Leid gesehen. Und viele Leichen. Doch bei einer brach er weinend zusammen: Es war ein Baby, das in einen Toilettenabfluß gestopft worden war.

Ein Kind, das niemand haben wollte. Abgelehnt, weggeworfen wie Abfall.

Die Horror-Bilder ließen Jaccard keine Ruhe. Mit Spenden hat er auf Long Island (US-Bundesstaat New York) einen „Friedhof der weggeworfenen Babys“ eingerichtet. The „Island of Hope“ nennt er ihn, Insel der Hoffnung.

89 Babys haben dort seit 1998 ihre letzte, würdevolle Ruhe gefunden.

„Ich möchte die ungewollten Babys damit sichtbar machen und das Unrecht, das sie erfahren haben. Sie sollen nicht in einem anonymen Massengrab verschwinden“, erklärt der 61-Jährige. „Sie würden sonst Nummern werden.“

Jaccard sorgt dafür, daß die Namen bekommen. Der Finder darf einen Vornamen aussuchen, als Nachname wird „Hope“ gewählt.

Auf den Gräbern liegen Blumen und Spielsachen von Menschen, die am Schicksal der toten Babys Anteil nehmen: Ein Plastik-Superman, Luftballons. Auf den Grabsteinen steht nur ein Datum – denn alle Babys mußten an ihrem Geburtstags auch sterben.

Zwei Namen haben dasselbe Todesdatum. „Wir dachten zuerst, es sind Zwillinge“, sagt Jaccard. Die Babys wurden zwar nicht weit entfernt voneinander gefunden – doch eine DNA-Analyse ergab: Sie sind nicht miteinander verwandt. Jaccard: „Zwei Kinder, unabhängig voneinander, an derselben Brücke in derselben Nacht – ist das nicht traurig?“

Die meisten „weggeworfenen“ Babys werden am Anfang des Jahres entdeckt. Neun Monate davor sind College-Ferien, die Hochsaison für den Beginn ungewollter Schwangerschaften. „Es sind meistens gebildete, religiöse, weiße Familien, in denen der Erwartungs- und Leistungsdruck hoch ist und in denen Schwangerschaften vertuscht werden. In afroamerikanischen werden ungewollte Schwangerschaften eher akzeptiert“, sagt Jaccard.

Bevor die Kinder begraben werden, gibt Jaccard der leiblichen Mutter eine letzte Frist, sich zu melden: 30 Tage. Meist verstreicht sie jedoch.

Weil er nicht immer nur tote Babys begraben wollte, sondern auch retten wollte, setzte sich Jaccard für die Legalisierung von anonymen Geburten ein, gründete eine Stiftung. Mit Erfolg: Das Gesetz ist inzwischen in 47 Bundesstaaten der USA angenommen worden.

Im Bundesstaat New York wurden vergangenes Jahr 25 ungewollte Babys geboren und zur Adoption freigegeben. Der dreifache Vater und fünffache Großvater spricht von ihnen als wären es seine eigenen: „Ich habe hunderte Babys da draußen, die ich alle gerettet habe“, so Tim Jaccard.

Auch die Zahl der„weggeworfenen Babys“ sei seit Einführung des Gesetzes rapide gesunken. Von 16 auf drei binnen sieben Jahren. Tim Jaccards unermüdlicher Einsatz – er hat sich gelohnt.

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