Seit der Bart en vogue ist und nicht mehr nur hauptsächlich Lehrern und Hipstern vorbehalten bleibt, sondern zunehmend die Gesichter von jungen Männern erobert, lautet die Gretchenfrage nicht mehr Brust oder Keule – sondern Elektro- oder Nassrasur. Hier scheiden sich die Geister.
Ein Meister auf dem gefährlichen Terrain der Nassrasur ist Said Mageed Haval. Er versteht keinen Spaß, wenn es um den Bart geht. Konzentriert zeigt der 22-jährige Barbier im Frechener Barber-Shop die Kniffe der arabischen Rasurtechnik. Die ist nicht ohne, denn hier wird der Bart noch mit Rasiermesser und einer speziellen Fadentechnik in Form gebracht. Ein Elektrorasierer kommt nur beim Stutzen des Bartes zum Einsatz. Dafür spielt Feuer eine wichtige Rolle. Doch von Anfang an.
Akribisch drapiert Said seine Instrumente auf einem Tuch vor seinem Arbeitsplatz. Denn bei der Nassrasur kommt es auf jeden einzelnen Schritt an. Zuerst wird das Rasiermesser ohne Klinge im Desinfektionsgerät gereinigt. Anschließend taucht er es in Alkohol und hält es über die Flamme eines Feuerzeugs, um es zusätzlich zu desinfizieren. Denn Hygiene ist das A und O der Nassrasur. Anschließend setzt Said eine frische Rasierklinge in das Messer ein – „jede Rasur eine neue Klinge“, lautet hier die Regel. Einmal hat er sich dabei bereits in den Daumen geschnitten.
„Musste mit vier Stichen genäht werden“, sagt er lakonisch und zeigt die Narbe auf der Daumenkuppe. In seinem Friseurstuhl sitzt heute Nalin Khaled, 19, der vor zwei Jahren aus dem Irak hierhergekommen ist. Said befeuchtet mit einem in warmes Wasser getauchten Rasierpinsel den Hals. Mit dem Pinsel schäumt er Rasiercreme auf und verteilt den Schaum.
Nun folgt der Teil, den so manch ein Verfechter der Elektrorasur wahrscheinlich als gefährlich bezeichnen würde. Mit der messerscharfen Klinge fährt Said vorsichtig seinem Kunden Nalin den Hals entlang. Dabei hält er die Klinge in einem ganz flachen Winkel und verrät den Trick, um einen Schnitt am Hals zu verhindern. „Mit einer Hand muss man die Haut straffen und das Messer ganz flach ansetzen.“ Verfechter der Nassrasur argumentieren, dass diese besonders gründlich die Bartstoppeln entferne.
Während Said seinem Kunden Nalin türkisches Rasierwasser, das scharf nach Alkohol und Zitrone duftet, auf den frisch rasierten Hals und die Wangen klopft, erklärt seine Kollegin Anastasia Alexandrilou, warum der Bart vor allem bei jungen Männern so gefragt ist. „Sie meinen immer, sie würden damit älter und männlicher aussehen“, sagt die Friseurin mit griechischen Wurzeln Und noch ein Vorteil für die Klinge: „Nur mit der Rasierklinge kriegt man scharfe Ränder und Kanten hin.“ Diese scharf geschnittene Bärte sind die Königsdisziplin der Bartliebhaber. Die Pflicht hat Said erfüllt, nun kommt die Kür. Er wickelt einen Nähgarn-Faden um seine Finger, und bildet damit ein Fadenkreuz. Damit zupft er einzelne Härchen der Augenbrauen und vereinzelte Barthaare von der Wange. Eigentlich wird nun der Bart noch mit einem Elektrorasierer gestutzt, aber Nalin ist mit seiner Länge zufrieden. „Drei Millimeter ist schön.“
Nalin kommt regelmäßig zur Nassrasur und zum Haare zupfen, an diesem Tag erhält er sogar noch eine Kopfmassage von Praktikantin Cheyene Moldovanov. Sie stammt aus Serbien. „Wir sind ein internationales Team“, sagt Friseurin Anastasia Alexandrilou nicht ohne Stolz. Der Eigentümer des Barber-Shops, Yoldas Gürkan, ist Kurde, genauso wie sein Neffe Said, ein weiterer Praktikant stammt aus dem Irak. Doch eines eint sie alle über alle kulturellen Unterschiede und Grenzen hinweg — die Liebe zu einem gut gepflegten und kultivierten Bart.