Es gibt sie noch. Überall in Deutschland. In Schubladen, zwischen Buchdeckeln, in Zuckerdosen – die D-Mark. Seit 1948 gab es sie, viele Deutsche konnten sich nie ganz von ihr trennen, einige spekulieren sogar über ihre Wiedereinführung. Ende 2009 waren noch knapp 14 Milliarden DM nicht umgetauscht.
Doch wo findet man die Mark-Nostalgiker?
Unter anderem dort, wo sie ihr Lieblingsgeld loswerden wollen. Zum Beispiel in der Wartehalle der Bundesbank in Berlin. Eine breite Wendeltreppe mit golden schimmerndem Geländer führt in den ersten Stock, Marmorboden, echter Bambus – Plastikbüropflanzen sind nicht zu sehen. Alles atmet Wertigkeit. Die Umtauschwilligen müssen eine Marke ziehen.
Insgesamt wurden im Jahr 2009 allein in dieser Filiale 11,6 Millionen Mark umgetauscht in 26.000 Transaktionen – durchschnittlich also 104 Mark täglich. Die größte Summe, die jemand in diesem Jahr umtauschte, waren 50.000 DM.
Hinter der Tapete
Andreas Klose, 50, Leiter der Bundesbank-Filiale, kennt die absurdesten Aufbewahrungsorte. Mal steckten die Scheine in einem Umschlag hinter der Tapete. Oder im Polster eines Sofas. Oder unter dem Ersatzreifen im Kofferraum eines gebrauchten Autos. Ein Ehepaar stöberte zu seiner Goldenen Hochzeit in den Glückwunschkarten zur Eheschließung und fand dort noch viele Noten aus der Zeit der Bank deutscher Länder, der Vorläuferin der 1957 gegründeten Bundesbank
Aber die womöglich romantischste Geschichte zur D-Mark, die Klose jemals hörte, ist die von einem Liebespaar, das in den neunziger Jahren zusammen war. Als Liebesbeweis zerrissen die beiden Jugendlichen damals einen Hundert-Mark-Schein. Irgendwann, als sie lange schon nicht mehr befreundet waren, fand der Mann seine Hälfte, rief die Frau an, die mit ihrer Hälfte zur Bundesbank kam. Was aus der Beziehung der beiden wurde, ist nicht bekannt.
Auch Klose selbst bewahrt noch D-Mark zu Hause in einem extra Umschlag als Andenken für seine Kinder auf. Jeweils einen Fünf- und einen Zehn-DM-Schein – das entsprach der Höhe ihres Taschengelds.
Die Geschichten, die die Menschen in der Wartehalle erzählen, klingen teilweise absurd, manchmal traurig, fast immer aber haben sie einen nostalgischen Unterton.
Peter, 54, Taxifahrer in Berlin
„Meine Mutter, 74 Jahre alt, hat den Kram im Wald gefunden. An einer Bushaltestelle entdeckte sie hinter dem Wartehäuschen lose D-Mark-Münzen. Ein paar Münzen sind auch noch von mir, die im Portemonnaie liegen geblieben sind. Mein Vater hat im Schrank auch immer aus den Urlaub Münzen gesammelt.“
Herbert, 65, Rentner
„In einer Blechdose im Wohnzimmerschrank lagen die D-Mark-Münzen. Die habe ich extra aufgehoben, weil ich nachschauen wollte, ob Fehlprägungen dabei sind. Es gibt einen Katalog dafür: ‚Varianten und Fehlprägungen der D-Mark-Währung‘. Leider waren bei den 200 Mark keine Besonderheiten dabei. Ein paar schöne gut erhaltene Münzen habe ich behalten, die Sondermünzen aus Silber auch. Die sind ja fast so viel wert wie das Silber, aus dem sie gemacht sind. Es ist schade um die D-Mark und die alte Zeit, die alte Währung. Die Mark war ja wesentlich härter als der Euro. Auf den D-Mark-Scheinen waren Köpfe abgebildet, höchstens auf der Rückseite mal Bauwerke. Ich als Ingenieur liebe jedoch Bauwerke, und finde daher die Euro-Scheine schöner.“
Gert, 66, ehemaliger Fleischer
„Ick hab meinen Wohnzimmerschrank abgerissen und da lag der Fuffi drunter. Die Euro stecke ich in meine Geldbörse und nachher geh ich ein Bierchen davon trinken.“
Lothar, 70, Rentner
„Ich bin Numismatiker und liebe Münzen. Ich habe Fünfer-, Zehner- und Zwanziger-Münzen, auch eine Zehn-Mark-Münze mit der Prägung der Olympischen Spiele 1972. Weil ich viele doppelt habe, tausche ich ein paar um. Die anderen lagern zu Hause im Karton. Von den Fünfer-Scheinen hatte ich einen ganzen Stapel, 500 Mark, von der 01-Seriennummer bis zur 100 komplett.“
Barbara, 62, Rentnerin
„Ich komme aus der Schweiz. Meine Schwester wohnt im Tessin und hat in ihrer Schublade einen Hundert-Mark-Schein gefunden, bei ihren Reiseunterlagen, da hat sie auch noch Lire. Sie hat keine Ahnung, wie viel der Schein wert ist. Den tausche ich hier jetzt um und bringe ihr die Euro mit. Da gehen wir dann von Kaffe trinken.“
Jörg, 52, Polizist
„Beim Aufräumen in den Schränken und Schubladen habe ich einzelne D-Mark-Münzen gefunden. 9,36 DM sind jetzt 4,79 Euro, das wandert in die Haushaltskasse. Das hört sich zwar nicht viel an, aber besser, als wenn es weiter zu Hause herumliegt. Die Mark war härter, die Umstellung zum Euro hat nur Nachteile gebracht.“
Wolfgang, 65, Installateur
„Ich bin Rohrleger und finde immer noch mal D-Mark bei der Arbeit, unter der Badewanne oder ganz oft beim Umbauen von Gaststätten. Da liegt immer ganz viel Geld unter dem Kneipentresen. Unter dem Teppich findet man auch viel. Aber immer nur Kleinkram, ’ne Mark oder auch fünf Mark. Die Mark war besser als der Euro. Der ist ja nix wert. Früher hat man ein Glas Bier für ’ne Mark gekriegt, heute zahlt man zwei Euro, das sind vier Mark. Ich rechne oft noch in Mark um. Das Münzgeld war auch vom Gewicht her leichter.“
Marcel, 25, Kaufmann
„Zehn Mark habe ich noch zu Hause in einer kleinen Kiste, wo ich ganz viel Kleingeld aus dem Urlaub aufbewahre. Die möchte ich aber auch behalten, weil ich die D-Mark mag. Die sieht einfach hübscher aus als der Euro. Ich verfolge die Diskussion um die Wiedereinführung der D-Mark, aber das macht im Moment keinen Sinn. Die Gemeinschaft Europas ist wichtiger.“
Heribert, 68, Rentner
„Zu Hause im Koffer habe ich 1300 DM aufbewahrt, weil aber jetzt kein Wertzuwachs mehr zu erwarten ist, tausche ich die um. Ich finde den Euro besser als die D-Mark, weil ich den nicht umtauschen muss auf Reisen.“
Jan, 52, Computerspezialist aus San Francisco
„Ich bin Kalifornier und habe den Zweihundert-Mark-Schein in meinem Schreibtisch gefunden. Dort lag er seit schon seit vielen Jahren, seit meinem letzten Urlaub in Deutschland, und ich hatte ihn schon ganz vergessen. Von dem Geld lade ich erst mal meinen Freund auf eine Currywurst ein, die gibt es bei uns nicht.“
Susanne, 48, Haushälterin in einer Kinderstube
„Meine Mutter ist jetzt ins Heim gekommen, die D-Mark sind von ihr. Ich möchte sie umtauschen, um das Geld für ihren Aufenthalt zu verwenden. Die hatte sie überall in der Wohnung verteilt. Ein, zwei Mark habe ich aber behalten, zur Erinnerung.“
Anneliese, 68, Verwaltungsangestellte
„Ich bin umgezogen und habe aufgeräumt. Da ich diese Münzen doppelt habe, tausche ich sie um. Die anderen habe ich zu Hause einsortiert in Sammelordner. Logisch mag ich die Mark! Da habe ich Silber in der Hand. Der Euro ist ja Betrug. Vorher hat uns ja keiner gefragt, ob wir den Euro wollen.“