„Vorsicht auf der A13 von Dresden nach Berlin! Ein Elch ist auf der Fahrbahn!“ Nein, das war kein Versprecher, kein verspäteter Aprilscherz: Der erste Elch hat es in den deutschen Verkehrsfunk geschafft. Der Riesenhirsch erobert sich seine uralte Wanderroute zurück und nähert sich von Weißrussland her über die polnische Grenze der deutschen Hauptstadt.
Elche, die mit bis zu 800 Kilogramm Körpergewicht durchaus eine Schulterhöhe von bis zu 2,5 Metern erreichen und Geweihe mit Ausmaßen einer Doppelbett-Matratze balancieren, sind eigentlich in der Arktis und den nördlichen Laubwäldern beheimatet. Dennoch sind auch in Deutschland immer mal wieder einige Exemplare gesichtet worden, vor allem im größten zusammenhängenden Waldgebiet, der Schorfheide nördlich von Berlin, und im brandenburgischen Odertal-Nationalpark. Ein besonders vorwitziger Elchbulle wagte sich sogar bis kurz vor Berlin: In Potsdam erschreckte er zwei Streifenpolizisten und verschwand in der Morgendämmerung.
Doch was nun gemeldet wird, geht über derlei sporadische Westausflüge über Polens Grenze hinaus: Hartnäckig kursieren Gerüchte, ein kleines Rudel von bis zu neun Schaufeltieren lebe dauerhaft auf deutschem Boden. Sogar von einer innerdeutschen Elchkalb-Geburt munkeln hiesige Tierfreunde. Offiziell wird die Elch-Existenz in Brandenburg jedoch weitgehend geheim gehalten: Jäger und Naturschützer schotten alle Nachrichten dieser Art ab, um die Elche vor sensationssüchtigen Naturfreunden zu schützen. Der Hype um Knut gibt eine Ahnung von der Hysterie der Tierwütigen – und das Eisbärjunge hatte einen Käfig zum Schutz.
Solche Tierpolitik weist der Elchexperte Jens Teubner jedoch zurück: „Bisher gab es einfach nicht viel zu sagen“, erklärt der Leiter der Naturschutzstation Zippelsförde. „Immerhin ist die Situation, dass wir plötzlich sieben bis neun haben, ja neu für uns.“ Grund für vermehrte Elchsichtungen in Deutschland sei die wachsende Elch-Population auf polnischer Seite: „Die Polen haben die Elchbestände von 6000 in den 80er Jahren bis Ende der 90er auf 2000 Stück zusammengeschossen.“
Weil die Elche seit dem Jahr 2000 jedoch geschont wurden, haben sich die Bestände inzwischen erholt und sind zwischenzeitlich sogar auf 7000 angewachsen – klar, dass dann einige in den Westen „rübermachen“.
Vorsorglich warnt Teubner vor touristischen Massenbewegungen: „Elche sind ja nicht gerade klein!“ Er hoffe, dass die Deutschen bei aller Elchbegeisterung die Ruhezonen der Tiere im deutschen Wald respektierten.
Trotzdem – das Gerücht um das erste Elchkalb auf deutschem Boden kann Teubner bestätigen: „Da ist es zu einer Produktion gekommen.“ Größere Gefahr gehe von den imposanten Hirschen mit dem Schaufelgeweih nicht aus: „Die sind nicht gefährlicher für den Straßenverkehr als Wildschweine oder Hirsche“, sagt Naturschützer Teubner. „Ob da ein Keiler von 120 Kilo vor die Kühlerhaube läuft oder ein Elchbulle mit 800 Kilo, ist bei einer gewissen Geschwindigkeit egal.“
„Dahin, wo’s weniger knallt“
Eine Aussage zur Anzahl der Elche in Deutschland hält der Zoologe und Naturschutzprofessor Matthias Freude, Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes, für „blanke Kaffeesatzleserei“. Zurzeit werden mehr Tiere beobachtet, weil mehr Pilzsucher im Wald sind.“ Außerdem werde im Moment in Polen wieder mehr geschossen: „Und der Elch geht natürlich da hin, wo es weniger knallt.“
Auf längere Sicht könne man sich auf Verkehrswarnungen vor Elchen jedoch einstellen, glaubt Freude. „Bevor er im 17. Jahrhundert ausgerottet wurde, war der Elch auch in Deutschland beheimatet. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich wieder dauerhaft hier ansiedelt.